Blutkrebs kommt niemals gelegen. Erst recht nicht, wenn man jung ist und im Leben gerade durchstartet. Wir haben Felix zum Interview getroffen – ein junger Mann mit enormer Widerstandsfähigkeit.
Felix, wie war dein Leben kurz vor der Diagnose Blutkrebs?
Zum Zeitpunkt der Diagnose war ich 24 Jahre alt und kurz vorm Examen als Gesundheits- und Krankenpfleger samt dualem Pflege-Studium. Die Diagnose B-Zell-Lymphom kam drei Tage vor meiner Examens-Prüfung. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon einen Job in Aussicht und wollte durchstarten. Mit der Diagnose ist meine Lebensplanung wie ein Kartenhaus zusammengebrochen.
Welche Symptome hattest du?
Ich hatte trockenen Reizhusten, den ich leider verschleppt hatte, bis ich endlich mal zum Arzt gegangen bin. Dieser meinte, es sei Asthma, da im Frühling viele Pollen flögen. Mir kam das nicht stimmig vor, weil die Medikation auch nicht half. Bei einem anderen Arzt sah man auf dem Röntgenbild den Tumor im Brustkorb direkt. Dieser war schon 13 cm groß und drückte auf Herz und Lunge, was den Husten verursachte. Ab dem Zeitpunkt war mir schon klar, dass das kein gutes Zeichen ist.
Wie hast du auf diesen Schock reagiert?
Ich war damals sehr resilient und sagte mir: „Du hast zwei Möglichkeiten: Entweder gehst du daran jetzt kaputt oder du beißt dich durch!“
Wurdest du auf das Risiko der Unfruchtbarkeit durch die Chemotherapie aufmerksam gemacht?
Bei der Therapieaufklärung wurde mir gesagt, dass die Therapie schädigend für die Fruchtbarkeit sein kann, aber auf die Möglichkeit der fruchtbarkeitserhaltenden Maßnahmen wurde nicht weiter eingegangen.
Wie kam es dazu, dass du dich dennoch weiter darüber informiert hast?
In dem Aufklärungsgespräch stand ich sprichwörtlich neben mir und obwohl ich als angehender Krankenpfleger schon viel Fachsprache verstehe, war ich völlig überfordert von all den Schädigungen, die eine Chemo verursachen kann. Im Vergleich zu einem Schaden am Herzen, kam mir die gefährdete Fruchtbarkeit weniger dramatisch vor. Ich hätte mir darüber wahrscheinlich erst viel später Gedanken gemacht – nur dann wäre vielleicht es zu spät gewesen. Das Thema Kryokonservierung* hatte dann meine damalige Partnerin initiiert.
Haben ist besser als brauchen. Auch, wenn ich mit 24 Jahren noch keinen dringenden Kinderwunsch hatte, habe ich mich für die Kryokonservierung entschieden.
Wie viel Zeit blieb dir für die Entscheidung für eine Kryokonservierung?
Die Chemotherapie ging schon einen Tag nach der Diagnose los. Als Mann war das im Kontext der fruchtbarkeitserhaltenden Maßnahmen noch relativ gut zu händeln. Die kurze Zeitspanne zwischen Diagnose und Therapiebeginn ist besonders für Frauen eine echte Herausforderung.
Haben die Kosten deine Entscheidung beeinflusst?
Als Auszubildender hatte ich natürlich keine großen finanziellen Reserven. Ich bin froh, dass ich dann per Zufall von der Kostenerstattung durch die Stiftung Deutsche Leukämie- & Lymphom-Hilfe erfahren habe. Der Antrag bei euch war schnell ausgefüllt und die Kostenerstattung war unkompliziert. Ich konnte das Thema damit abhaken und mich aufs Gesund werden konzentrieren.
Welche Kosten kamen auf dich zu?
Felix stand kurz vor seinem Abschluss als die Diagnose alles änderte.
Zuerst wurden Tests auf HIV und Geschlechtskrankheiten gemacht, die ich privat bezahlen musste. Dann natürlich die Kosten für die Abgabe und die Lagerung des Samens. An die Kryobank zahle ich jährlich rund 300 Euro. Alles in allem hat mich die Absicherung meines späteren Kinderwunsches rund 1.000 Euro gekostet, die ich komplett von euch erstattet bekommen habe.
Wie hast du die Chemotherapie erlebt?
Emotional war die Chemotherapie sehr herausfordernd. An meinem ersten Chemo-Tag feierten meine Klassenkameradinnen und -kameraden ihren Abschluss. Körperlich ging es mir zum Glück relativ gut, auch, wenn man mir nach einer Weile angesehen hat, dass ich krank bin, weil ich keine Haare mehr hatte und durch das Kortison aufgequollen war. Nach Ende der Chemotherapie im Dezember wurde im PET-CT Mitte Januar noch aktives Tumorgewebe gesichtet. Daraufhin bekam ich dann noch Bestrahlung.
Das Ende der Chemo-Therapie im Dezember war mein Weihnachtsgeschenk und das Ende der Bestrahlung im Februar war mein Geburtstagsgeschenk.
Wie bist du mit der Diagnose Blutkrebs gegenüber anderen umgegangen?
Mit meiner Diagnose bin ich immer offen umgegangen. Auch wenn Krebs stigmatisiert ist, kann ich ja nichts dafür, krank zu sein. Mir wurde aus meinem Umfeld viel Verständnis und Unterstützung entgegengebracht. Ich habe ich mich nie geschämt dafür, dass ich krank bin und war immer offen und proaktiv.
Was hat dir geholfen?
Meine Familie und meine damalige Partnerin haben mir sehr zur Seite gestanden. Aber auch meine Kommilitonen und die Uni haben viel Rücksicht auf mich genommen. Ich ging einmal im Monat in einer bunt gemischten Selbsthilfegruppe in München, wo ich offen über alles reden konnte. Das war eine schöne Erfahrung. Sich auszutauschen war wirklich hilfreich. Besonders die sozialrechtlichen Hilfen zu kennen, war gut. Von der Kranken- und Rentenkasse hört man schnell ein NEIN, aber sich davon nicht abschrecken zu lassen, weil man seine Rechte kennt, war sehr hilfreich.
Die Kryokonservierung muss mittlerweile von den Krankenversicherungen übernommen werden. Wie ist deine Erfahrung?
Der Prozess der Beantragung von Kostenübernahme bei der Krankenkasse ist ein Unding. 2022 wurden die Kosten der Lagerung übernommen, nachdem ich mich vier oder mehr Monate aktiv gekümmert hatte.
Wie ging es dir nach Ende der Therapie und Bestrahlung?
Nach der Therapie musste ich meine Kräfte wieder langsam aufbauen, habe aber trotzdem viel gemacht: Studium beendet, noch einen Master angefangen, nebenher gearbeitet … Beruflich bin ich trotz allen gut durchgestartet. Leider habe ich mir etwas zu viel zugemutet. In einer späteren Reha wurden dann das Fatigue-Syndrom und eine Depression festgestellt.
Wie bewältigst du deinen Alltag mit der Fatigue?
Fatigue und Depressionen machen den Arbeitsalltag schwer und ich kann laut ärztlicher Bescheinigung nur zwischen 3 und 6 Stunden täglich arbeiten und bekomme deswegen die Teilerwerbsminderungsrente. Ich fühle mich oft abgeschlagen, die Stressresistenz ist sehr gering und ich bin von einem Schlag auf den anderen extrem müde und kann nichts mehr machen.
Du reist momentan viel - aktuell bist du in Dubai. Wie teilst du dir deine Kräfte ein?
Beim Reisen kann ich selbst entscheiden, wie ich meine Kräfte über den Tag verteile. Die Gastfreundschaft im mittleren Osten ist sehr hoch und ich werde jeden Tag angesprochen und eingeladen, was mir dann schnell anstrengend wurde, so dass ich wieder neue Energie tanken musste. Aber es bietet mir momentan die Möglichkeit ohne Druck das richtige Maß für mich zu finden. Mein Limit ist neu und ich muss erstmal lernen mich damit neu einzufinden.
Vielen Dank für das Gespräch und deine Offenheit, Felix!
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